Gut. Es wurden Fehler gemacht. Zugegeben. Man hätte eventuell den Wetterbericht ernster nehmen können, anstatt sich an seinen Optimismus zu klammern wie eine Schiffbrüchige und den Koffer mit leichten Sommerblüschen voll zu packen. Trotzdem ist Lissabon immer eine Reise wert. Bei schlechtem Wetter kann man eventuell sogar Ecken sehen, die einem sonst entgangen wären.
Lissabon im April – das hätte eigentlich laufen müssen. Während hier in Karlsruhe schon fast frühsommerliche Temperaturen herrschten, blies uns in Lissabon ein scharfer Wind teilweise erhebliche Regengüsse um die Nase. Das hatten wir im Vorhinein einfach nicht so richtig glauben können, nicht so richtig wahrhaben wollen. Hatten irgendwie so tief in uns drin erwartet, dass Lissabon sich an die Regeln hält und als südlicheres Land mit Zugang zum Meer gefälligst warm ist. Tja. War Lissabon egal. Kaum dort, rollte schon die – tatsächlich wettergerichtlich angekündigte – Wolkenfront heran.
Man muss jedoch auch sagen: An unserem ersten Lissabon-Tag ging noch alles relativ glatt, auch wenn das Wetter kühler war, als in Deutschland. Die Frage:
Wie bewege ich mich in Lissabon am besten fort?
stellte sich kaum. Wir waren bereits informiert, dass die Fortbewegung in Lissabon relativ easy ist. Das U-Bahn-Netz ist kinderleicht zu verstehen, wie in fast allen Großstädten. Und nahezu überall hin kommt man mit der „Viva Viagem“-Karte. Wenn ihr mit den Rolltreppen am Flughafen runter zur U-Bahn fahrt, könnt ihr die Automaten kaum verfehlen, an denen ihr euch die Viva-Viagem-Karte ziehen könnt. Die kostet einmalig 50 Cent und ihr könnt sie mit einem beliebigen Geldbetrag aufladen. Am Ein- und Ausgang der U-Bahnen müsst ihr die Karte dann nur kurz auf den Scanner legen und der jeweilige Betrag (ca. 1,25 pro U-Bahnfahrt und ich glaube knapp 3 Euro waren es bei den Busfahrten, vielleicht sogar etwas weniger) wird euch automatisch abgebucht. Außerdem gab es fast an jeder U-Bahnstation mit Viva-Viagem-Automaten einen hilfsbereiten Menschen, der einem gerne geholfen hat.
Auch wenn sich Lissabon relativ gut „erlaufen“ lässt (wenn einem gelegentliche steile Anstiege nichts ausmachen) – bei unserem durchwachsenen Wetter war die Viva-Viagem-Karte natürlich Gold wert.
Wir residierten total praktisch in der Nähe des runden Platzes Marques de Pombal im recht schnuckligen „Hotel Florida“. Die Zimmer dort sind nach Filmstars benannt, unterscheiden sich im wesentlichen jedoch nur durch verschiedene Filmposter über dem Bett. Trotzdem hätten wir uns über das „Audrey Hepburn“-Zimmer am meisten gefreut. Es wurde jedoch „Harrison Ford“. Unter der schützenden Peitsche von Indiana Jones schlief es sich aber trotzdem erstklassig. Ich habe selten in einem so bequemen Bett geschlafen. Außerdem gab es genau die richtige Anzahl an genau richtig-flauschigen Kissen. Und das ist selten!
Tag 1: Bairro Alto zu Fuß: Süße Cafés, bunte Türen, bunte Häuser
Für den Ankunftstag hatten wir uns nichts besonderes vorgenommen. In Lissabon ist ein bisschen Planlosigkeit eigentlich sowieso eine gute Idee. Die Stadt ist so vielseitig und bunt, dass man sich ruhig mal ein bisschen absichtlich darin verlieren kann/sollte. Von unserem Hotel aus war es nicht weit ins „Vergnügungsviertel“ Bairro Alto. Das erwacht zwar oft erst am Abend zu seiner vollen Schönheit, aber auch am Tag ist es toll. Hochmotiviert ließen wir sogar den Fahrstuhl links liegen und kraxelten die steile Straße eigenfüßig hinauf.
Was uns wiederum die Gelegenheit gab, die Streetart zu bewundern. In Lissabon gibt es auffällig viel Streetart und Graffiti. Nicht wenige davon ist total sehens- und fotografierenswert.
Auch auf den Straßenbähnchen.
Oben war einiges los. Eine Band, verschiedene Stände mit Souvenirs, Sangria und Snacks – und unsere erste, herrliche Aussicht über die Stadt.
Da aber allmählich der erste angekündigte Regenschauer herannahte, schmiedeten wir doch einen groben Plan: Kaffee und Kuchen. Immer eine gute Idee, in Lissabon aber eine besonders gute. Denn hier gibt es echt ein paar Café-Schätzchen, die neben leckeren Getränken und Gebäcken auch was fürs Auge bieten. Apropos – kleiner Exkurs:
Warum Lissabon gut ist, um der Kreativität auf die Sprünge zu helfen
Kennt ihr das, wenn ihr euch plötzlich ganz entspannt, erfrischt und viel wacher fühlt, sobald ihr mal im Wald seid und ganz reine, klare Luft atmet? Mit Kreativität ist das so ähnlich. Wer sich mit kreativen, künstlerischen, spielerischen Dingen umgibt, der lädt seine Kreativitätstanks förmlich auf. Lissabon ist dafür wie geschaffen. Wäre Lissabon ein Model und Kandidatin bei GNTM, bekäme Lissabon jedes Mal ein Foto. Lissabon ist vielseitig und fotogen. Lissabon kann dir fast alles verkaufen – sogar Regen. Lissabon macht gute Laune – und kreativ. Ich hatte das Gefühl dort einen Roman (ach, was sag ich: RomanE!) schreiben zu können – neben mir einen leckeren Cappuccino, der sich immer wieder von selbst auffüllt, und ein Tellerchen mit köstlichsten Pasteis de Nata – den leckeren Vanillepuddingtörtchen, für die Lissabon berühmt ist. Übrigens:
Ich habe die Theorie, dass das bei Lissabon besonders deshalb so ist, weil Lissabon nirgends so richtig „akkurat“ ist. Es heißt zwar, klare Linien, leere Schreibtische und so sollen förderlich für die Konzentration sein. Aber was mich angeht, so bringt nichts meine Kreativität so auf Touren, wie verspielte, malerische, bunte, mysteriöse, verwunschene, stimmungsvolle Anblicke. Ich liebe Bilder mit Wäldern und Winkeln und Gassen, bei denen man Lust bekommt selber dort entlang zu gehen und zu schauen, was hinter der nächsten Ecke wartet. Ich habe ein Herz für „Altes“. Heut sagt man „Vintage“. Für Dinge, die Geschichten erzählen. Lissabon erzählt dauernd Geschichten. Und hält ständig Fotomotive bereit, die man locker auf Poster und Postkarten drucken könnte. Ich habe mit meiner Fotografier-Wut ein bisschen genervt, das gebe ich zu. Aber all das habe ich nur für euch getan. Um euch nach Herzenslust meine bunten Fliesenhäuser um die Ohren zu blasen:
Zwischen den bunten Häusern, die aussehen wie aus einem überdimensionalen Schmuckkästchen entnommen, gibt es aber auch Altes und Verfallenes. Das nicht weniger faszinierend daherkommt.
Eins noch. Aber dann wird es wirklich Zeit für Kaffee und Kuchen. Ich muss euch dieses schnucklige Café zeigen.
Es waren etwa 15 Minuten zu Fuß. 15 etwas anstrengende Minuten, da wir ja – größenwahnsinnig wie eh und je – auch die Hügel erklommen haben (Dass ihr in Lissabon gutes Schuhwerk braucht, wisst ihr, oder?). Aber letztendlich schafften wir es noch rechtzeitig vorm Regen ins kleine, feine Café Tease. Auch hier haben wir ganz naiv gehofft, es würde ein Plätzchen frei sein. Das Café ist nämlich wirklich sehr klein. Wir hatten aber Glück.
Kaffeepause im TEASE
Es war leider schwierig, gute Fotos zu machen, da das Café gut besucht war und ich nicht alle Gäste von ihren Tischen aufscheuchen wollte. (Als ob es geklappt hätte …) Aber vielleicht erkennt ihr trotzdem, warum ich dieses Interieur so liebe. Nichts passt so richtig zusammen – und dadurch irgendwie doch wieder alles.
Beachtet bitte die Plüscheule auf dem Kronleuchter rechts.
Es saßen gerade drei Menschen mit Laptop dort und lebten meinen Traum vom Schriftstellerleben im schönen Café. Aber auch unser Mahl war ein Traum. Ich fahre ja total auf Zitronenkuchen ab. Aber ich habe noch nie einen gegessen, der quasi eine Zitronentorte war. So mit Créme. Mir steigen die Tränen in die Augen, wenn ich das Bild sehe. Weil ich diese Torte so bald nicht mehr essen werde. Hach.
Danach fiel das Laufen zurück zum Hotel doch ein bisschen schwerer. Nicht nur, weil wir unser Handgepäck noch durch die Gegend schleppen mussten, da unsere Zimmer noch nicht fertig gewesen sind. Trotzdem – so mancher Anblick lenkt von den Beschwernissen des Gewaltmarsches ab. Zum Beispiel auch die Tatsache, dass es in Lissabon unglaublich viele antike Buchläden gibt. Bücher in Hülle und Fülle! Für jeden Bücherliebhaber ein kleines Paradies.
Abendessen im Lost In im Viertel Bairro Alto
Auf unserer Wanderung entdeckten wir auch ein Restaurant, das wir uns sofort für den Abendschmaus auserkoren: Das „Lost in“. Hier gibts wieder ein buntes, asiatisch angehauchtes, verspieltes Interieur mit einem phänomenalen Ausblick über die Stadt. Leider war das Wetter zu schlecht, sodass wir uns nicht in den Außenbereich setzen konnten (zumindest wäre es nicht trocken und warm genug gewesen, um dort unser ganzes Abendessen zu verbringen). Denn dort gibt es Betten!
Ich stelle es mir unvergleichlich vor, mich an einem lauen Sommerabend unter so einem bunten Schirm auf so ein Bett zu fläzen und bei einem leckeren Cocktail auf die Stadt zu schauen – der Ausblick ist ein Traum. Aber so gab es für uns eben Cocktails drinnen. Oder genauer gesagt: Eistee.
Es gibt dort einen unglaublich leckeren hausgemachten Eistee, der sich wirklich lohnt. Ich fand ihn so lecker, dass ich dabei geblieben bin. An Cocktails mangelt es in Lissabon im übrigen nirgends. In ganz Bairro Alto kamen uns immer wieder Leute mit kleinen Plastikgläsern entgegen, in denen sich meistens Caipirinha befand. Lissabon ist auch Caipi-Stadt und es gehört ein bisschen dazu, mit einem Cocktail in der Hand herumzuschlendern. Schade nur, dass viele der Plastikgläser ihr trauriges Ende irgendwo auf der Straße finden.
Aber zurück zum wesentlichen – das Essen. Wir entschieden uns für eine kleine Vorspeise, die uns nur knapp 3 Euro kostete. Die scharfe Soße war richtig lecker.
Dann machten wir jedoch einen winzigkleinen Fehler. Das Lost in ist für asiatisches Essen bekannt. Ich fühlte mich aber irgendwie zu einem vegetarischen Burger hingezogen. Was auf der Karte als „Chips“ angepriesen war, stellte sich in Wahrheit tatsächlich als das heraus, was man auch hierzulande unter „Chips“ versteht. Ich hatte gedacht, das stünde so britisch-englisch-korrekt für „Pommes“.
So war mein Essen zwar ganz gut, es wäre doch noch einen Ticken besser gegangen. Es hätte auch etwas mehr sein dürfen. Die asiatischen Gerichte auf den Nachbartische sahen jedoch unerträglich köstlich aus.
Nichtsdestotrotz war es schön im „Lost In“. Noch schöner wäre es bei besserem Wetter gewesen, aber wer will schon klagen. Bunte Umgebung – schönes Interieur – bedeutet ja schließlich Kreativitäts-Upgrade.
Letztendlich gingen wir dann doch satt und zufrieden. Ein bisschen müde. Ein bisschen fußschmerzig.
Am nächsten Tag bekamen wir die volle Wetter-Breitseite ab: Regengüsse, Wind, markerschütternde Kälte (also gefühlt). Was ihr bei so einem Mistwetter in Lissabon anstellen könnt, verrate ich euch im nächsten Beitrag – ganz bald.