Heute ist Valentinstag: Der Tag der Liebe und der Liebenden, der wohl meistgehasste, meistgehypte und meistdiskutierte Tag im Jahr. Und nein – dieser Eintrag wird kein Pro- oder Contra-Valentinstagseintrag. Ich will darüber reden, warum wir alle mehr lieben müssen und sollten aber auch können. Liebe verlangt uns viel ab.
Sie erfordert Mut, sie kommt uns wie ein Risiko vor. Aber letztendlich ist sie alles wert. Und zu verlieren haben wir nichts. Versprochen.
Egal ob Du den Valentinstag feierst oder nicht. Ob er Dir etwas bedeutet oder ob Du ihn für Blödsinn hältst. Ich hoffe, in jedem Fall, dass du liebst.
Irgendjemanden.
Irgendwas.
Dich.
Denn ich bin überzeugt, wenn es überhaupt einen Sinn des Lebens gibt, dann hat der auf jeden Fall mit Liebe zu tun. Auch wenn’s vielleicht schnulzig klingt. Aber vielleicht ist das ja auch das Problem?
Brauchen wir die Liebe noch?
Liebe scheint heute zu einer Option unter vielen verkommen zu sein. Wir können Liebe durch Erfolg ersetzen, durch Geld. Durch den Nervenkitzel wechselnder Affären. Durch Selbstbezogenheit. Daraus ziehen wir dann Pluspunkte für’s Ego. Haste was, biste was. Es fühlt sich gut an, etwas zu erreichen. Vielleicht fühlt man sich wichtig, das tut gut. Aber ich glaube, tief in uns drin spüren wir, dass etwas fehlt, wenn nicht Liebe in uns brennt. Es ist vielleicht ein Fluch, dass wir heutzutage so viele – unendlich viele – Möglichkeiten haben. Angeblich ist das ja der Fluch der „Generation Y“ – wir trachten so sehr nach Selbstverwirklichung und -entfaltung, dass wir vor lauter Möglichkeiten gar nichts tun. Aus Angst durch eine Entscheidung andere Möglichkeiten zu verlieren, entscheiden wir uns lieber nicht und halten alles in der Schwebe. Und gerade, wenn es um die Liebe geht, fühlen wir uns doch auch – Hand aufs Herz – auf ziemlich dünnem Eis. Wenn uns etwas wirklich, wirklich wichtig ist, wenn unser Herz involviert ist, dann macht uns das verletzbar. Denn wenn wir uns öffnen, dann werden wir angreifbar, dann offenbaren wir eine Schwäche. Was, wenn wir „den Einen“ finden und er uns dann verletzt, uns das Herz bricht? Was, wenn wir unser Geld mit etwas verdienen wollen, das wir lieben und damit dann scheitern? Könnten wir uns davon je wieder erholen? Hätte das Leben dann nicht seinen Sinn verloren? Warum dieses Risiko eingehen?
Warum wir das Risiko immer eingehen sollten
Als mein Großvater starb, starb meine Oma auch irgendwie. Die beiden hatten geheiratet, ein Haus gebaut und darin drei Kinder großgezogen. Sie waren zusammen verreist, hatten Enkel bekommen, morgens gemeinsam das Kreuzworträtsel gemacht und abends gemeinsam Krimis geschaut. Sie haben sich gestritten über Belanglosigkeiten, aber genauso sehr haben sie sich geliebt und gebraucht. Nachdem mein Opa gestorben war, wurde meine Oma zu einem Geist. Ich kann mir selber kaum ausmalen, wie grausam es gewesen sein muss, in dem Ehebett zu schlafen neben dem leeren Kissen meines Opas. In dem Haus zu leben ohne ihn. Meine Oma hat sich davon nicht erholt. Heute glaube ich, dass das vielleicht der Preis ist, den man für eine große, besondere Liebe zahlen muss. Wenn sie vergeht – so wie alles irgendwann vergeht – ist der Schmerz übergroß. Je mehr wir lieben, desto größer der Verlust. Und tun wir etwas, das wir lieben, trifft es uns härter, wenn wir scheitern. Aber ist es deswegen besser, die Liebe auf Abstand zu halten? Meine bescheidene Meinung: Nein.
Du hast es sicher selbst schon einmal gehört: Am Ende unseres Lebens bereuen wir eher die Dinge, die wir nicht getan haben. Wenn ich dereinst auf mein Leben zurückblicke, dann hoffe ich, dass es bunt war. Dass ich geliebt habe und geliebt worden bin und dass ich mein Leben gefüllt habe mit Dingen, die ich liebte. Dass ich den Weg der Liebe gegangen bin. Dass ich mein Leben gelebt habe.
Streichhölzer und Feuerwerke
I might only have one match
But I can make an explosion
(Rachel Platten „Fight Song“)
Zu lieben ist eigentlich kein Risiko, nicht wirklich. Wenn wir lieben, dann ist das Selbstentfaltung, Erfüllung. Dann sind wir auf dem richtigen Weg, dann sind wir mit dem Herzen bei der Sache, dann kosten wir das Leben aus. Das schließt auch Selbstliebe mit ein. Anstatt unsere Seele mit lauter Selbstoptimierung zu ersticken, könnten wir ein bisschen liebevoller mit uns umgehen. Auch uns gegenüber ein bisschen Mitgefühl haben, ab und zu wenigstens, und nicht immer nur auf den inneren Kritiker hören, der uns ständig Strafpredigten hält. In der Gesamtheit aller Menschen mögen wir zwar nur ein kleines Licht sein, ein Streichholz vielleicht. Aber wenn wir nie und für nichts brennen, dann erfüllen wir nicht unser Dasein. Dann tun wir nicht, wofür wir gemacht sind. Und wie Rachel Platten in ihrem „Fight Song“ singt – ein einzelnes Streichholz kann eine Explosion hervorrufen. Oder, um ein positiveres Bild zu bemühen: Ein Feuerwerk. Kostet es Mut? Schon möglich. Aber nur, weil wir glauben, wir würden uns in Gefahr begeben. Weil wir den Schmerz fürchten, den wir ertragen müssten, wenn es nicht klappt. Aber: Auch, wenn wir es nicht wagen, uns auf die Liebe einzulassen, werden wir Schmerz spüren. Spätestens dann, wenn wir einmal zurückblicken und seufzen „Hätte ich doch nur …“.
Plädoyer für die Liebe
Heute, am Valentinstag, will ich daher einfach nur sagen: Liebe! Liebe mit jeder Faser deines Körpers, mach‘ die Liebe zur Maxime deines Lebens. Tue, was du liebst. Liebe bedingungslos. Liebe unabhängig davon was und wie viel du möglicherweise zurückbekommst. Nichts sonst macht wirklich Sinn. Und wenn du enttäuscht wirst, wenn du nicht zurück geliebt wirst, wenn du scheiterst, dann war es trotzdem gut. Denn es geschah mit und aus Liebe. Und das ist immer eine gute Erfahrung – vor allem rückblickend. Ich lese gerade „Yoga – oder die Kunst, sich selbst zu finden“ von Jeff Krasno und bin darin auf eine berührende Geschichte gestoßen. Eine Gruppe Yoga-Sympathisanten ist in einem Bus unterwegs und sie unterhalten sich. Eine anwesende Yogini hat ihren Partner verloren und es war offenbar eine dieser großen Lieben. Allen schnürt es die Kehle zu, wenn sie sich vorstellen, wie schrecklich dieser Verlust für sie sein muss. Sie sagt aber, dass sie eine große Liebe erleben durfte und dafür unendlich dankbar ist. Niemand kann ihr dieses Erlebnis nehmen, niemand kann ihr diese Liebe jemals wirklich nehmen, denn sie ist tief in ihr. In ihrem Herzen und ihrer Erinnerung. Es ist genug.
Wenn du liebst, hast du schon gewonnen
Als ich diese Zeilen las, war es ein bisschen wie Aufatmen. Ich hatte den Gedanken, dass wir eigentlich niemals eine große Liebe verlieren können. Denn in dem Moment, in dem sie uns zuteil wird, haben wir bereits alles gewonnen. Wir haben geliebt. Diese Erfahrung bleibt uns für immer. Vielleicht ist es unser Ego, das uns dazu drängt, immer noch mehr zu wollen, als das, was uns vergönnt war. Es ist ja auch nur menschlich. Aber Fakt ist: Wenn da Liebe war, dann ist uns das nicht zu nehmen. Wir müssen aber das schätzen lernen, was wir haben. Dankbar sein für das, was ist. Das ist eine ziemlich große Aufgabe. Aber was könnte mehr Sinn machen?