Buddhism Impressions Mind

Zu Gast im Buddhistischen Zentrum: Mein erstes Kennenlernen mit Buddha

„Niemand rettet uns, außer wir selbst“ (Buddha)

Ich dachte eigentlich lange, dass mich der Weg meiner Entwicklung eher weg führt von der Religion. Ich bin christlich-katholisch aufgewachsen, habe als Kind auf der Fronleichnamsprozession Rosenblätter verstreut, war Messdienerin und bin selbstredend getauft und gefirmt. Mein Zweitname ist Maria. Ich halte viel von Nächstenliebe und ich denke, dass Jesus ein echt guter Typ war. Je älter ich jedoch wurde, desto mehr habe ich mich von der Religion eingeengt gefühlt. Oder vielleicht sollte ich sagen: Von der Kirche. Denn ich finde, sie mischt sich in Dinge ein, die sie nichts angehen. Und ganz nebenbei kränkt es mein Feministen-Herz sehr, dass Frauen keine Pfarrerinnen werden dürfen (vom Papstamt ganz zu schweigen). Ich finde es falsch, dass die katholische Kirche Homosexuelle für Sünder hält oder für verirrte Schafe oder was weiß ich. Ich finde diese Aussortiererei  überhaupt grundfalsch. Ich glaube, wenn es einen Gott gibt, dann findet er alle Menschen gut, egal wen und wie sie lieben, ob sie Kinder bekommen oder nicht, ob sie Männlein oder Weiblein oder irgendwie beides sind. Wenn es Gott nicht reicht, dass ich versuche ein guter Mensch zu sein, dann brauche ich ihn nicht. Dann ist er nicht mein Gott. Und vielleicht ist er dann auch kein wirklicher Gott, sondern ein launischer, vorurteilsbehafteter, engstirniger … Dingsbums.

So wenig wie ich an eine religiöse alleinseligmachende Regelmaschinerie glaube, die ins Paradies führt (oder eben nicht) so sehr glaube ich allerdings an das Gute. Im Menschen. In der Welt. In allem. Ich glaube fest daran, dass jeder einzelne die Kraft hat eine positive Veränderung für die Welt zu bedeuten. Daher finde ich all das gut, was uns dabei hilft. Deswegen mag ich Meditation. Deswegen liebe ich Yoga. Und ganz nebenbei habe ich ja einen riesengroßen Faible für die asiatische Kultur. Ich würde am liebsten einfach alles darüber wissen, jedes asiatische Land bereisen, in Schweigeklöstern schweigen, mich von Shaolinmönchen verprügeln lassen, wie eine Geisha tanzen lernen, in einem Ashram leben und lernen.

Kein Wunder also, dass ich direkt schon förmlich am Haken zappelte, kaum dass mir eine meiner Arbeitskolleginnen beiläufig sagte, sie gehe ab und zu ins Buddhistische Zentrum zum Meditieren. Ich lud mich kurzerhand selbst ein, sie mal dort hin zu begleiten, träumte von goldenen Räumen und Stille und aus irgendeinem Grund stellte ich mir eine Horde Hippies in Haremshosen vor, die mit entrücktem Lächeln in sich versinken (auch ich bin offenbar ein vorurteilsbehafteter Dingsbums).

Das Buddhistische Zentrum in Karlsruhe – Buddha in der City

Ich traf mich also mit meiner Arbeitskollegin wenige Tage später am Hauptbahnhof in Karlsruhe – nur wenige Gehminuten vom Buddhistischen Zentrum entfernt. In Haremshosen, Flipflops und mit einem unaufgeräumten Dutt. Entgegen meiner überzogenen Erwartung, war das Buddhistische Zentrum jedoch kein güldener Tempel, sondern ein äußerst pragmatischer, heller, freundlicher Raum mit großen Fenstern gegenüber vom Zoo. Wir zahlten 7 Euro Eintritt für unsere Meditationssession inklusive Vortrag. Immerhin billiger als Yoga, dachte ich mir. Zu meiner Verwunderung sah kein einziger der anderen Mitmeditierenden hippiemäßig aus. Zu unserer Gruppe zählten drei Frauen und zwei Männer im mittleren Alter. Die Herren in Jeans und T-Shirt, die Damen ganz normal modisch angezogen. Keine seltsamen Frisuren. Und zwei jüngere Männer, einer von beiden sah sehr nach Fitnessstudio-Dauerkartenabonnent aus und hatte viele Tattoos. Und keiner war barfuß. Also schnappte ich mir lieber ein paar der bereitstehenden Stoffpantoffeln. Ob das unbedingt besser war – keine Ahnung. Es brachte mich ein bisschen aus dem Konzept, dass alle Leute dort so „normal“ waren. Aber ich fand das auch unfassbar spannend.

Tatsächlich lagen am Boden keine Yogamatten mit Meditationskissen, sondern es befanden sich Stuhlreihen vor einem Podest, auf das Stufen hinaufführten. Das Podest wiederum befand sich vor einer riesigen Glasvitrine, die die gesamte Stirnseite des Raumes einnahm. Darin befand sich ein großes Bild von einem Buddha nebst vielen goldenen Buddhastatuen in verschiedenen Größen und mit verschiedenem Ausdruck. Außerdem aus Gründen, die sich mir noch nicht erschlossen haben, vier Schüsseln, die randvoll mit Wasser gefüllt waren.

In der „Frontrow“ gab es letztlich doch vier Decken plus Meditationskissen auf dem Boden. Aber ganz nach vorne traute ich mich als „Neuling“ nicht und nahm daher auf einem der Stühle Platz. Dort befand sich bereits ein Ausdruck vom „Befreienden Gebet„, was mich dann doch etwas befremdete.

Überraschung: Auch der Buddhismus ist eine Religion

Im Nachhinein komme ich mir schon etwas blöd vor. Ich hatte geglaubt, der Buddhismus sei mir nicht fremd, weil ich ja meditiere. Außerdem beruhen viele „Lifehacks“ zur Persönlichkeitsentwicklung – Stichwort Achtsamkeit und so – auf den Lehren Buddhas. Dass das Ganze aber trotzdem wirklich und wahrhaftig auch eine Religion ist, wurde mir tatsächlich erst in dem Moment so richtig klar, als sich vorne links eine Tür öffnete und eine leibhaftige Mönchin so komplett im Dalai-Lama-Gewand und raspelkurzgeschorenen Haaren auf dem Podest vor der Buddhawand Platz nahm. Ich war fix und fertig. Was hatte ich eigentlich erwartet? Dass ein „Lifecoach“ im Business-Suit und fancy Friese einen Ted-Talk hält?

Und schon ging es los mit dem „Befreienden Gebet“. Ich erstarrte förmlich zur Salzsäule, als Musik von wo auch immer her kam und sich zeigte, dass das „Befreiende Gebet“ tatsächlich ein Lied ist. Meine Mitbuddhisten sangen alle, manche sogar auswendig. Ich fühlte mich mit Entsetzen an die Sonntage im „Kindergottesdienst“ erinnert. Diese neugeistlichen Lieder, die alle so eine diffuse Melodie haben, als würden sich die Sänger Text und Melodie erst in dem Moment ausdenken, in dem sie das Lied singen. So ein Gesäusel eben. Und auch der Text … (Dein Körper ist ein wunscherfüllendes Juwel,
Deine Rede ist höchster, reinigender Nektar.“ Ernsthaft jetzt?) Ich fühlte mich wie vom Regnen die Traufe geraten. Vom Christentum in den Buddhismus.

Aber dann: Bäm!

Buddhismus heißt den Geist schulen

Nach dem Lied kommt die Predigt, dachte ich, als die Mönchin dann mit ihrem Vortrag begann. Hilfe! Genau wie damals in der Kirche. Aber es kam anders.

Es sollte im Vortrag um Angst gehen und darum, wie man furchtlos wird. Volltreffer! Ich habe schließlich seit meinem 18. Lebensjahr eine diagnostizierte Angststörung im Gepäck. Genau mein Thema. Ich konnte das gar nicht glauben. „Buddha ist furchtlos“, erklärte die Mönchin. Das sei durch die „Entenschnäbel“, auf denen er oft abgebildet wird, symbolisiert (Uäh. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gedacht, das sei eine Blume, auf der Buddha sitzt …), die stünden für Furchtlosigkeit.

Vieles, was ich hörte, war derart auf den Punkt, dass ich nur wie gebannt an den Lippen unserer Mönchin hängen konnte. Sie malte uns Bilder: Wenn wir panisch sind oder Angst haben, ist unser Geist wie ein „verrückter Elefant“, der alles um sich herum niedertrampelt. Wir müssen lernen, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen. Manche Gedanken sind wie Unkraut. Wir müssen sie als solches erkennen und mit der Wurzel ausreißen – also in die Tiefe gehen, hinschauen, der Angst auf den Grund gehen.

Letztendlich sei Angst vor allem eines: Angst vor unangenehmen Gefühlen. Angst vor Ablehnung, vor der Einsamkeit, vorm Gesichtsverlust etc.

Angst sei die Hölle, hieß es. „Wer schon einmal eine Panikattacke erlebt hat, weiß, dass Angst die wirkliche Hölle ist“ (an dieser Stelle war ich kurz vor einer Standing Ovation).

Und in Erinnerung blieb mir vor allem noch ein Satz:

Angst ist nur ein paar Minuten schlechtes Wetter an unserem Himmel

Egal welche negativen Gedanken uns plagen – nichts ist unerträglich. Wir können mit allem fertig werden. Egal, was uns schließlich in unserem Leben zugestoßen ist – wir haben es doch überstanden. Irgendwie und irgendwann – aber wir haben.

Als wir nach dem Vortrag in eine kurze Meditation geführt wurden, war ich regelrecht aufgeladen mit positiver Energie. Obwohl der Vortrag eher ein Dialog, fast schon eine Plauderei gewesen war, hatte uns die Mönchin irgendwie fast spielerisch von einer Erkenntnis zur nächsten getragen. Alles hatte logisch aufeinander aufgebaut, ohne starr und strukturiert zu wirken. Und ich hatte das Gefühl, dass ich ok bin wie ich bin mit all meiner Angst, meinen Zweifeln und Unsicherheiten.

Wir sollten während der Meditation an eine Alltagssituation denken, die uns unangenehm ist und diese noch einmal geistig durchleben. Dabei sollten wir versuchen, dass sich unser Geist nicht ängstlich „zusammenzieht“, sondern weit bleibt. Dieses Zusammenziehen kannte ich schon. Das spüre ich oft wirklich richtig körperlich.

Und dann war es schon vorbei.

Anschließend zogen wir noch kurz an einen Tisch um, auf dem es Tee, Plätzchen und Nüsse gab. Ich fühlte mich völlig entrückt, aber auch euphorisch und zufrieden und stürzte meinen Tee hinunter als wäre es ein Shot. Kurz darauf gesellte sich auch die „Mönchin“ zu uns – jetzt aber wieder in Alltagsklamotten und plauderte mit uns, anstatt wie unser katholischer Pfarrer damals in der Sakristei zu verschwinden und anschließend den Hinterausgang zu nehmen.

Ist der Buddhismus die bessere Religion?

Später grübelte ich in der Bahn noch lange über meine Buddhismus-Session nach. Zweifellos hatte ich hier in eine neue Religion hineingeschnuppert und eben nicht an einem Selbstoptimierungsseminar teilgenommen. Trotzdem hatte ich das Gefühl gehabt, dass es um mich geht und nicht um die Unterwerfung unter ein vermeintlich gottgegebenes Regelwerk. Dass es nicht darum gegangen war, mich in eine Form zu pressen, die „richtig“ ist, sondern vielmehr darum, herauszufinden, was überhaupt meine ganz eigene Form ist. Vielleicht bin ich gar keine Atheistin. Vielleicht bin ich Agnostikerin. Ganz vielleicht bin ich Buddhistin.

Und das wäre vollkommen okay, so wie jede Religion oder eben keine Religion ok ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir das Christentum nicht so richtig passt. So wie die H&M-Hosen, die plötzlich einen total komischen Schnitt haben und bei mir irgendwie einfach nicht mehr richtig sitzen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir ausprobieren, was unser Style ist und nicht einfach an etwas festhalten, nur weil es immer so war. Nicht zusammenziehen, sondern offen bleiben eben.

Als wir auf Bali zusammen mit unserem balinesischen Freund Wayan eine kurze Pause mit Blick auf den nebelverhangenen Bratan-See machten, sagte er etwas total Cooles: Die verschiedenen Religionen sind eigentlich nichts anderes als verschiedene Transportmittel, die aber alle das selbe Ziel haben. Ob man nun lieber mit Bus, Bahn oder Flugzeug reist, ist eben Geschmacksache.

Ich glaube jedenfalls, dass das nicht mein letzter Besuch im Buddhistischen Zentrum war. Die Faszination ist definitiv geweckt. Vielleicht fahre ich jetzt einfach mal ein Stück mit Buddha.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*