Fem-Power

Liebe Männer: Ihr müsst keine Feministinnen sein – Feminist, reicht auch

„SO EINE bist du?“ fragte mich meine Kollegin entgeistert. Mit „so eine“ meinte sie „Feministin“. Und das war nicht als Kompliment gemeint.

Warum ist das eigentlich so, dass Leute zu fürchten scheinen, dass ich mir gleich meine Bluse aufreiße und barbusig Parolen schreie, immer, wenn ich davon rede, Feministin zu sein? Ich habe meine Magisterarbeit über „Die neue Frau“ geschrieben. Damals, in den 20er, 30er Jahren, als die Frauen sich allmählich Jobs suchten, sich ein bisschen emanzipierten und alte Werte in Frage stellten. Grund genug für meine Kollegin mich zu „so einer“ abzustempeln. Trotzdem entsetzt mich das ein bisschen. Aus dem Mund einer Frau, einer arbeitenden Frau, einer „working Mum“ verächtlich über den Feminismus daherreden zu hören – muss das wirklich sein?

Hach. Ich fürchte, es muss. Denn es gibt noch viel zu tun. Auch, wenn man es kaum glauben mag. Schließlich geht’s uns Frauen doch gut. Wir haben ja schließlich das vielzitierte Wahlrecht, dürfen ab und an tatsächlich oben in der Führungsetage mitspielen – Quote hin oder her – und unsere Ehemänner dürfen uns ja nun auch schon eine ganze Weile lang nicht mehr züchtigen, so will es das Gesetz (inzwischen). (Zynismus off).

Trotzdem. Auch, wenn man inzwischen deutlich mehr über Feminismus hört, als noch vor einiger Zeit – es reicht offensichtlich noch nicht. Erst nach und nach fällt einzelnen auf – manchmal sind diese einzelne Männer – dass das mit dem Feminismus und mit der Gleichberechtigungsforderung doch irgendwie Hand und Fuß haben mag – wer hätte es gedacht.

Das soll eigentlich gar nicht so bitter klingen, wie es klingt.

Denn ich habe heute einen – doch eigentlich recht gelungenen – Artikel des Moderatoren Nilz Bokelberg auf zeit.de gelesen.

Herr Bokelberg hat eine Tochter, die vor kurzem 16 wurde. Und nun, kurz bevor jenes Töchterchen erwachsen ist und in diese Erwachsenenwelt hinaus muss, macht sich Herr Bokelberg Gedanken über Gleichberechtigung. Ärgert sich über die noch immer existierende Gender Pay Gap und die vermeintlich schlechteren Chancen, die seine Tochter im Vergleich mit ihren männlichen Mitbewerbern haben könnte. Das ist richtig. Das ist löblich. Aber beim Lesen drängte sich mir unwillkürlich der Gedanke auf: Warum hat das 16 Jahre gedauert? Warum musste Herr Bokelberg für diese Erkenntnis erst eine Tochter bekommen? Das hat sich auch die unvergleichliche Nina la Grande gefragt. Der Artikel liefert die Begründung mit, dass Bokelberg in beruflicher Hinsicht stets starke Frauen um sich hatte und er daher der Auffassung verfallen war, dies sei normal. Ouukay. Vielleicht war das so. Vielleicht hat Herr Bokelberg aber auch nur nicht genau hingesehen.

Natürlich laufen wir Frauen nicht wie kleine Häufchen Elend durch die Business-Welt und beweinen unser Schicksal (wahlweise bitterlich). Wir müssen uns (immer noch) in einer Männerwelt behaupten, deswegen passen wir uns eben an, so gut wir können. Kopf hoch, Brust raus, Pokerface an, Emotionen aus. Und trotzdem steht auf dem Gehaltszettel eine um X niedrigere Zahl als bei unseren männlichen Kollegen.

Ich will den Artikel keinesfalls schlecht reden. Wirklich nicht. Wir brauchen eigentlich viel, viel, viel mehr davon. Männern wird man wohl schwerlich unterstellen, dass sie sich ihre Blusen vom Leib reißen und hysterisch feministische Parolen gröhlen, zumindest hab ich noch keinen Mann gesehen, der sowas macht. Will sagen: Wenn Männer sich für Feministen erklären, dann gibt das zu denken. Vielleicht halten ihn andere Mitglieder seiner Zunft für sonderlich, belächeln den Irrgläubigen vielleicht, wer weiß. Aber ignorieren kann man ihn nicht so gut, den Feministen. Vor allem dann nicht, wenn er sich traut, etwas zu sagen oder gar zu schreiben, wie Herr Bokelberg.

Für meinen Geschmack, hat Herr Bokelberg am Ende jedoch einen Ticken zu viel gesagt. Der Artikel schließt mit „Ich bin Feministin“. Feministin. Das ist sicherlich gut gemeint … aber nein. Herr Bokelberg, seien Sie einfach nur Feminist. Das reicht. Das ist sogar besser. Feministinnen gibt es schon einige – wenn auch noch längst nicht genug – und sie alle haben schon einen mehr oder minder dicken Stempel auf der Stirn: Schreiendes, barbusiges, hysterisches Krawallweib. Oder so ähnlich. „Feminist“ – das hört man nicht oft, noch nicht. Das könnte Potential haben, vielleicht sogar dem Feminismus wieder ein Stück von der Ernsthaftigkeit zurück geben, die er verdient. Wenn sich den Feministinnen mehr und mehr Feministen zur Seite stellen und mit ihnen das eine fordern, worum es nun mal einzig geht: Gleichberechtigung.

Bis es soweit ist, bleibe ich eben weiterhin fürs erste „so eine“.

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